Pohlmann

Pohlmann in der Schnack-Bar.

Foto: Thorben Hofmann

Nordcheck

Schnack-Bar: In Pohlmanns Kopf geht es wie in einem Bahnhof zu

13. März 2025 // 10:40

Im Rahmen der Rubrik Schnack-Bar fand sich Singersongwriter Pohlmann vor seinem Konzert in der Music Hall in Worpswede für ein offenes Gespräch ein, in dem er viel von sich preisgab. Unter anderem, dass es in seinem Kopf wie in einem Bahnhof zugeht.

„Mein Name ist bekannter als mein Gesicht“

„Wenn du dich als Künstler dafür entscheidest, Musik zu machen, die nicht im Radio gespielt wird, musst du damit leben können“, sagt Pohlmann kurz vor seinem Konzert in der ausverkauften Music Hall in Worpswede. Während der Singer-Songwriter das sagt, schaut er seinem Gegenüber in die Augen und ergänzt. „Es bringt nichts, darüber zu meckern, denn es geht vielen so. Mein Name ist bekannter als mein Gesicht und das hat auch seine Vorteile.“

„Ich liebe es, auf Tour zu sein“

Trotz mangelnder Radiopräsenz von Songs aus seinem großen Repertoire tiefgründiger und eingängiger Stücke, war die Music Hall Worpswede kurz nach Bekanntgabe des Konzerts von Pohlmann ausverkauft. Und das liegt sicher nicht nur an seinem Hit „Wenn jetzt Sommer wär“ aus dem Jahre 2006, sondern vielmehr an seiner sympathischen Bühnenpräsenz, dem aktiven Austausch mit dem Publikum. Seine positive Ausstrahlung erhellt aber auch beim Hören seiner mal einfühlsamen, mal eindringlichen Songs jeden Raum, in dem sie erklingen. Selbst im dunkelsten Winter. Denn tatsächlich geht auch an diesem verregneten, neblig-trüben Nachmittag im Dezember jedes Mal ein klein wenig die Sonne auf, wenn „Pingo“, wie den Künstler seine Freunde und Kollegen nennen, von seiner Liebe zur Musik und dem Drang, sich darüber auszudrücken, erzählt. „Ich liebe es, auf Tour zu sein, mit den Menschen zu connecten. Die gemeinsame Energie sauge ich auf und das gibt mir immer wieder Motivation, weiterzumachen.“

Lebendiges Gespräch

Die Mimik auf seinen Gesichtszügen ist während des Gesprächs genauso abwechslungsreich und lebendig wie die Themen, durch die wir mit einer erfrischenden Leichtigkeit hin und her joggen. Keiner von uns gerät dabei mental erschöpft aus der Puste. Im Gegenteil.

„Ich bin von Natur aus ein geselliger Typ“

„Entspricht dieses Tempo deinem durchschnittlichen Energielevel?“ Wieder vermischen sich auf Ingo Pohlmanns Gesicht nachdenkliche Selbstreflexion mit positiver Entspanntheit, bevor er antwortet. „Ich bin ein Grübler geworden, aber von Natur aus ein extrem geselliger Typ, was mich oft rettet. In meinem Inneren geht es chaotisch zu, ohne dass Menschen, die mich nur oberflächlich kennen, das sofort mitbekommen. Ich gehe seit 15 Jahren davon aus, dass ich ADHS habe. Ich konnte mich aber gemäß meines Berufes gut damit arrangieren. Das heißt, in meinem Kopf geht es immer zu wie in einem Bahnhof. Viele voll besetzte Züge fahren gleichzeitig ein und andere aus. Es herrscht nonstop Bewegung.“ Pohlmann zuckt beinahe entschuldigend mit den Schultern, bevor er weiterspricht. „Deshalb ziehe ich mich beim Schreiben von neuen Stücken bewusst in einen Raum mit kahlen weißen Wänden zurück, in dem ich mich frei von störenden äußeren Einflüssen aufs Komponieren und Texten konzentrieren kann. Sonst wird das nichts.“

Seit Geburt der Tochter Verzicht auf Schnaps

Auf die Frage, ob er schon immer so gearbeitet hat und wie sich der Bahnhof in seinem Kopf auf seinen Alltag ausgewirkt hat, antwortet er schonungslos im Hinblick auf sich selbst: „Die Geburt meiner Tochter vor zehn Jahren hat mir geholfen, einen Schalter umzudrehen. Ich habe da auch von einem Tag auf den anderen keinen Alkohol mehr getrunken. Wenn der früher im Spiel war, kannte ich auch keine Grenzen, habe mich weggeballert, dass ich am nächsten Tag vieles nicht mehr wusste. Das will ich nie wieder erleben. Ich habe lange Zeit völlig abstinent gelebt. Mittlerweile trinke ich wieder Alkohol, aber ausschließlich Weißweinschorle oder Bier. Aber mit jeder Form von Schnaps bin ich fertig.“

Dabei erinnere ich mich an die Worte von Henning Wehland, der ebenfalls schon in der Schnack-Bar zu Gast war und im Zusammenhang mit seiner Abstinenz nach wilden Jahren im Showbiz den Satz fallen ließ „Ich habe das Fässchen für ein Leben ausgetrunken“. „Henning zieht das bis heute gnadenlos durch, der trinkt keinen Tropfen mehr“, bestätigt Pohlmann, der seit langen Jahren mit dem Frontmann der Band HBlockX befreundet ist. „Henning war zehn Jahre mein Manager. Er reflektiert sich selbst immer sehr und hat es trotz aller Erfolge immer geschafft, geerdet zu bleiben und zu wissen, woher er kommt.“

Neues Album in diesem Jahr

Pohlmann weiß auch genau, woher er kommt und schafft es trotz des von ihm beschriebenen Zugverkehrs in seinem Kopf, er selbst zu sein und sein Umfeld aufmerksam wahrzunehmen. „Gibt es neben dem Plan, dieses Jahr ein neues Album und eine Tour auf den Weg zu bringen ein vielleicht auch verrücktes Ziel in deinem Leben, dass du erreichen oder was du erleben möchtest?“ Pohlmann denkt nach, streicht sich mit der Hand über das Gesicht. Plötzlich schaut er mit vor Begeisterung leuchtenden Augen auf. „Ja, da gibt es etwas! Aber das ist eigentlich völlig verrückt und wirft vermutlich ein schräges, abgedrehtes Licht auf mich.“ „Hau raus, wir sind hier jetzt mal bei „Wünsch dir was.“ Er schüttelt wie über sich selbst lächelnd den Kopf. „Ich habe in meinem Leben zweimal Ayahuaska zu mir genommen und würde das gerne wiederholen. Vielleicht in Peru mit einem Schamanen. Das wäre noch mal eine Reise, die ich gerne machen würde - irgendwann - vielleicht. Wer weiß.“ Im Kopf seiner Gesprächspartnerin erklingen bei diesen Gedanken folgende Zeilen „Und weil bei mir jetzt gerade Winter ist. Und ich den Sommer so vermiss‘. Send‘ ich Grüße aus dem Winter. Mit einem strahlenden Lächeln.“